Gretle, die Hexe
Der Januar des Jahres 1665 war streng und schneereich, als das Gretle vor die Türe trat um den Schnee wegzuräumen. Meister Jakob kam das Gässlein herauf und er erzählte ihr, dass er zu den Nestlers geht und sich den Buben Urban ansehen möchte, weil man sich erzählt, der Teufel sei in ihn gefahren und nun fürchterlich in ihm rumort. Die beiläufige Bemerkung von Gretle, der Teufel steckt schon lange in dem Schlingel, machte Meister Jakob stutzig und er warf einen verdutzten Blick auf die Frau, die mit ihrem Höcker, dem gelben, faltigen Gesicht und der spitzen Nase nicht zu den Schönheiten der Stadt Reutlingen gehörte. Der 12 jährige Urban lag auf dem Bett, bleich und mit geschlossenen Augen. An seinem Mund hingen weiße Schaumflocken und sein Leib wand sich in Krämpfen. Als sein Atem ruhiger wurde und er die Augen aufschlug konnte er sich an nichts erinnern. Zur damaligen Zeit war der Aberglaube sehr verbreitet. Alles böse wie Gewitter, Hagel, Seuchen hielt man für das Werk des Teufels. Es ging das Gerücht umher, das die verstorbene Mutter des Jungen eine Hexe war und ihren Knaben dem Teufel versprochen hätte. Weil der Junge bei seinen Anfällen Frauen nannte, die ihn als Hexen dem Teufel zugeführt hätten, ordnete der Rat die Verhaftung dieser Frauen an. Darunter auch Gretle. Sie wurde gefoltert. Man hing sie an den Händen mit Seilen auf und beschwerte ihr die Füße mit Steinen, deren Gewicht nach und nach erhöht wurde. Sie wurde solange gefoltert, bis sie gestand, sich dem Teufel mit Leib und Seele verschrieben zu haben. Dabei gab sie noch zwei andere Weiber als Hexen an. Am 14.04.1665 wurde sie mit dem Schwert hingerichtet und ihr Leib wurde zu Asche verbrannt. Der Rat musste nun der Volksstimmung nachgeben und die Hexen verfolgen und hinrichten. Am 02.06.1665 holten die Stadtknechte die gefangen genommene Hexen aus dem Gefängnis um sie zu richten. Draußen vor der Tübinger Vorstadt, nahe bei Betzingen, liegt eine Anhöhe. Dort stand einst der Galgen und ein dreieckiges Holzgerüst, an welches Diebe und andere Schelmen gehängt wurden. Heute noch trägt diese Anhöhe den Namen Galgenberg.